Mr.X - Die Geschichte.

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Beitragvon XJ-Eddie » 18.06.2020, 23:23

Dann habe ich ja den Effekt erzielt, den ich beabsichtigt hatte. Danke, dass du mir das mitteilst, Rainer.
Deinen Dank habe ich gleich mal an mehrere Jungs und Mädels weiter gegeben, die ich immer mit Fragen löchern darf, wenn ich für meine Lieblingsbeschäftigung etwas aus ihren Fachgebieten wissen muss. Und an Toby, der eine wichtige Aufgabe erfüllt. Er fragt: „Was kann das?“ und während ich es ihm erkläre, verstehe ich es selber.
Gruß von Eddie.
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Beitragvon Fz6S2XJ » 25.01.2022, 12:10

Hallo XJ-Eddie

super zu lesen deine Beiträge und wirklich auch lehrreich :!: :!:

Hier kann man echt viel lernen!
Viele Grüsse
Lars
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Beitragvon XJ-Eddie » 28.01.2022, 08:39

Danke für das Lob, Lars.
Stoff für weitere Artikel wäre noch vorhanden.
Ich überlege gerade, ob ich den für XJ550-Fans aufbereiten und veröffentlichen sollte.
Gruß von Eddie.
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Beitragvon Fz6S2XJ » 28.01.2022, 10:01

was gibt es da zu überlegen ;-) Ich bin sofort dafür! :D

Ich habe gestern von meiner Zweiten den Motor vom Rahmen getrennt und überlege jetzt ob er zu retten ist oder ob ich ihn zum lernen zerlege.

Ich werde mal ein eigenes Thema dafür auf machen.
Viele Grüsse
Lars
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Beitragvon XJ-Eddie » 29.01.2022, 19:31

Hallo mal wieder.
Einer der Schraub-Fans und Amateur-Elektriker hatte mich nach einem Original-Schaltplan gefragt.
Wohl um erkennen zu können, was ich hier umgebaut und im Plan geändert habe:
http://www.xj-forum.de/bb/viewtopic.php?p=297710#297710
Ich weiß leider nicht mehr, wer es war. Deshalb werde ich hier einen veröffentlichen. Es ist ein Schaltplan, den ich fast unleserlich gefunden habe, nachgezeichnet und mit Klartext versehen und während der Erneuerung einiger Kabelstrecken nachgeprüft habe. Ein paar undeutliche Bereiche habe ich berichtigt. Du kannst dich also drauf verlassen. Kannst die zwei Teile auch runterladen für den privaten Gebrauch, und wenn du magst auch zusammenkleben und einrahmen. Völlig al gusto.
Viel Vergnügen.

Bild

Bild
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Beitragvon XJ-Eddie » 30.01.2022, 21:45

Vergasergeschichten

Es könnte doch für einige Leser hilfreich sein, meinen Erlebnisbericht von damals
http://www.xj-forum.de/bb/viewtopic.php?p=280658#280658
ein wenig zu ergänzen, dachte ich mir. In meiner Sammlung von Notizen und Bildern gibt es nämlich noch einigen Stoff zum erzählen. Erfahrungen aus den Jahren mit meinem Mr.X und Informationen, die ich aus vielerlei Quellen zusammengetragen habe.

Das Thema Kraftstoffstand ist so ein Beispiel dafür. Der gilt in der Fachliteratur als elementarer Bestandteil der Vergasereinstellung, notwendig für die korrekte Gemischbildung, bei mehreren Vergasern auch für gleichmäßigen Motorlauf. Der Kraftstoffstand entscheidet über die Eintauchtiefe des Zerstäuberrohres, also wieviele der Querbohrungen Luft ziehen. Das wiederum bestimmt die Menge und Beschaffenheit des durch das Nadelventil strömenden Gemischs, ein Vorprodukt des gesamten Benzin-Luft-Gemischs, welches der Vergaser bildet.

Dabei darf man eins nicht verwechseln: Der Kraftstoffstand ist das Niveau des Benzins im Vergaser, direkt außerhalb gemessen. Der Schwimmerstand ist ein Maß, welches vor der Montage eingestellt wird und hinterher im Betrieb den Kraftstoffstand ergeben soll. Der dann allerdings noch „nass“, also mit Benzinfüllung überprüft gehört. Bei mir hat das nur selten zu einem brauchbaren Endergebnis geführt. Deshalb habe ich ab irgendwann darauf verzichtet, den Schwimmerstand einzustellen. Für die 550er kenne ich ihn auch gar nicht. Wer ihn wissen möchte, findet sicher in der wwweiten Welt entsprechende Angaben.

Bei Fehlersuchen in Profiwerkstätten werden einfach mal ein paar Schläuchlein montiert und gemessen. Habe ich damals bei meinem Mr.X erstmals gemacht, ist gar nicht schwer und gibt schnell Auskunft über die Arbeit der Schwimmerventile. Die bilden zusammen mit Schwimmern und Schwimmerzungen einen einfachen mechanischen Regelkreis, der den Benzinvorrat in der Kammer auf einer definierten Höhe hält, unabhängig vom Durchsatz. Messergebnisse außerhalb des Sollbereichs deuten auf wachsendes Risiko des Versagens durch verschlissene Ventilkegel.

Kraftstoffstand prüfen.

Bild

Das Foto wurde nicht an einer 550er gemacht. Das Prinzip ist aber bei allen Horizontalvergasern gleich. Während der Messung muss nicht der Motor laufen, entgegen anders lautenden Meldungen. Die Benzinzufuhr vom Tank muss aber offen sein, das heißt der Hahn auf PRI stehen.

Bild

Bei abmontiertem Tank tut´s auch eine hoch hängende Benzinflasche. Die Maschine muss auf ebener Fläche und senkrecht stehen, auf dem Hauptständer oder einem Achsheber. Beim öffnen der Entleerschrauben sollten die Schläuche zunächst in einer hohen Position provisorisch befestigt sein, dann abwärts bewegt werden. Dabei füllen sie sich dann wie auf dem oberen Bild. Da sind sie in Messposition mit einem Klebeband fixiert. Nicht wieder nach oben bewegen! Das verfälscht das Ergebnis.

Der Sollwert

Der Kraftstoffstand ist wie die Bedüsung ein modellspezifischer Wert. Er gilt nicht für die gleichen Vergaser in anderen Motorradmodellen.
Die Yamaha-Vorgabe für die XJ 550 4V8 lautet: 2 mm +-1 unter der Dichtung.
Das heißt, das Niveau im Schlauch muss zwischen 1 und 3 Millimeter unter der Schwimmerkammerdichtung sein.
Und wenn die Messung nun einen ganz anderen Istwert zeigt? Ein tieferer Stand deutet auf Fehler in der Vergangenheit oder innere Verschmutzung hin. Vielleicht stand die Maschine lange oder wurde wenig gefahren. Ein höherer Stand deutet auf Verschleiß an den Schwimmernadeln. Jedenfalls sollte man bei mehr als einem Millimeter außerhalb der Toleranz was tun.

Kraftstoffstand korrigieren

Dazu muss die Vergaserbank ´raus. Und weil das mit einigem Aufwand verbunden ist, sollte man dabei keine halben Sachen machen und bei der Gelegenheit Verschleißteile erneuern, damit man da nicht so bald wieder dran muss. Zumal allein schon die Prüfung der Kraftstoffstände ein Aufwand ist, der sich nur mit neuen Schwimmerventilen lohnt.

In der Tat gehören die Schwimmerventile, und von denen besonders die Schwimmernadeln zu den üblichen Verdächtigen, wenn es um Verschleiß geht. Neue der Marke Keyster kosten bei motorradbay.de ca. 6,90 €/Stück. Die Ventilsitze sind innen meistens noch gut, werden aber gerne an ihrem O-Ring undicht. Also ´raus damit, Sitz mit O-Ring und Nadel zusammen kosten komplett 9,50 €/Stück, Stand 1/2022. Und weil bei der Arbeit die Schwimmerkammern geöffnet werden müssen, sind neue Schwimmerkammerdichtungen fällig. Nochmal dreifuffzig das Stück. Originalteile kosten jeweils ein Vielfaches davon.

Das ist die Mindestmenge an Teilen, mit der man eine solche Aktion starten kann. Alles weitere muss der Zustand der anderen Innenteile zeigen. Reinigen sollte dabei obligatorisch sein, genaues prüfen auf Verschleißspuren auch.
Daraus ergibt sich die Empfehlung zu folgender Vorgehensweise:

1. Vergaserbank ausbauen und äußerlich reinigen.
2. Innenteile ausbauen, reinigen und prüfen.
3. Gehäuse reinigen
4. Alles wieder zusammenbauen, incl. Der neuen Teile
5. Testaufbau Messung Kraftstoffstände
6. Bei Korrekturbedarf erneuter Testaufbau und weitere Messungen
7. Einbau ins Motorrad für die nächsten mindestens 30 tkm.

Ich will jetzt hier nicht erklären, wie man das alles genau macht, dazu gibt es schon genug Anleitungen. Nur einzelne Tips habe ich auf Lager, die ich anderswo vermisst habe.

Bild

Den kurzen Verlängerungsdraht vom Gas-Schließerzug sollte man für den Wiedereinbau zugänglich halten. Hier habe ich ihn mit dem roten O-Ring hoch gehängt.

Schwimmernadeln halten nach meinen Erfahrungen 30 tkm, dann werden sie unzuverlässig. Meine eigenen und viele fremde Vergaser, die auf meiner Werkbank waren, bestätigen das. Und ich halte viel von vorbeugender Wartung und dem Erneuern von Bauteilen, bevor sie ausfallen. Daran ändern auch die Fälle nichts, wo diese Winzlinge viel länger gehalten haben.

Bild

Deshalb tausche ich auch solche Schwimmernadeln wie diese, obwohl sie noch intakt ist. Man sieht an der typischen Stelle am Gummikegel eine ringförmige Vertiefung. Das ist zwar Verschleiß, aber noch unkritisch. Bei übergelaufenen Vergasern ist da ein breiterer und tieferer Eindruck.

Bei meinem Mr.X hatte ich kurz nach der Übernahme bei ~50000 km neue Schwimmernadeln eingebaut, weil der Motor eines Morgens nicht starten wollte. Bei dem Anlass hatte ich die Kraftstoffstände eingestellt. Als die nach einem Jahr einen oder zwei Millimeter höher als vorher waren, machte ich mir noch keine Sorgen und fuhr weiter. Nachdem, wieder ein Jahr und inzwischen 30 tkm später, ein Vergaser übergelaufen war, maß ich an den anderen Vergasern drei bis vier Millimeter höher als das Sollmaß. Es scheint also so zu sein, dass verschleißbedingt zuerst das Niveau ansteigt, bis es überläuft. Bei mir zeigte sich das als heftiges Motor-Verschlucken nach Schiebebetrieb. Und nach dem Abstellen tropfte es unten raus.

Verschleiß an anderen Innenteilen. Beispiele.

Bild

An Vergasermembranen sind zwei mögliche Schadensbilder verbreitet. Durchgescheuerte Stellen wie auf dem oberen Bild, und Schlitze an den Rändern wie unten zu sehen ist.

Bild

Manchmal sind die Schäden nicht so deutlich wie hier. Finden kann man so etwas garantiert beim Strammziehen vor einer Lampe.

Bild

Diese Nadelventile haben einseitig Abriebspuren von den Ventilnadeln. Ich kann ohne Nachmessen davon ausgehen, dass auch die Ventilnadeln nicht mehr rund sind. Reif für die Tonne, das Zeug.

Bild

Ohne Worte.

Nächstes Mal: Kreative Sauerei. An der Werkbank Kraftstoffstand „nass“ prüfen und einstellen.

Verwendete Quellen: Eigene Fotos, Mündliche Auskünfte vom besten aller Meister Joachim Weber vom Motorradcenter Darmstadt, Motorradtechnik Jürgen Stoffregen Verlag Vieweg, Motorradvergaser John Robinson Delius Klasing, Reparaturanleitung Band 5086 Verlag Bucheli
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Beitragvon Fz6S2XJ » 31.01.2022, 07:06

Hey Eddie

Super wertvoll und genial beschrieben!

Einfach toll die Informationen welche Du hier bereitstellst :!: :!: :!:

Bezüglich Kraftstoff und Vergaser bin ich noch nicht ganz soweit, aber der Schaltplan kommt mir im Moment grad sehr zu Gute.
Ich habe kein Rücklicht mehr, bin aber der Meinung es hat mal funktioniert.
Viele Grüsse
Lars
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Beitragvon XJ-Eddie » 05.06.2022, 14:54

Vergasergeschichten

Kreative Sauerei. Den Kraftstoffstand auf der Werkbank „nass“ messen und einstellen.


Am Schluß werden einige sagen, „Ach du Sch…., was ein umständlicher Kram.“ oder etwas ähnliches denken. Wenn sie überhaupt bis dahin gelesen haben. Tja, Leute, zugegeben, das sieht alles ziemlich nerdy aus, aber ich hab das nicht erfunden. Das ist altes Handwerk aus der Vor-Benzineinspritzung-Ära des Motorenbaus. Und es gehört zu der viel diskutierten „Vergasereinstellung“, ist also kein „nice to do“, sondern praktisch die Basis für alle weiteren Einstellungen der Gemischversorgung.

Werkstätten mit Vergaser-kundigem Personal muss man heute lange suchen. Damals hatte ich eine Vergaserwerkstatt gefunden, tatsächlich, sowas gab es mal. Es stand zwar Solex dran, aber die machten auch andere Fabrikate, wenn ich die Teile mitbrachte. Vor ein paar Jahren haben sie zu gemacht. Ab da kam es dann nicht mehr drauf an, dass ich Selbermachen grundsätzlich für eine gute Idee hielt. Jetzt waren genug Gründe da, die Herausforderung anzunehmen. Außer ein paar Blättern Dichtungspapier und ein wenig Know-how gab es nichts zu erben bei der Geschäftsaufgabe der Solex-Werkstatt.

In Vorbereitung meiner eigenen Gehversuche und für geistigen Input besorgte ich mir „den Robinson“ und „den Stoffregen“ (siehe unten), beides anerkannte Werke zum Thema. Als Hardware entstand eine Halterung für Vergaserbänke im Schraubstock, eine Aufhängung für Benzinflaschen oben drüber sowie eine Auffangschale darunter. Vervollständigt wurde das Ganze durch ein Sortiment Plastikschläuche aller relevanten Größen. Alles kein wirklich großer Aufwand.

Die ersten Opfer waren meine Katana-Viererbank und die Vergaserpärchen mehrerer Chopper-V2-Motoren. Nach Erfolgen mit meinen eigenen kamen auch die von Bekannten dran. Allesamt waren nachher glücklicher als zuvor, Maschinen wie Eigner. Voraus gegangen war jeweils mehr oder weniger vollständiges Zerlegen, Reinigen und der Zusammenbau mit neuen Schwimmerventilen, je nach Zustand auch mit weiteren Neuteilen. Wie fast alles selbst gemachte, haben die Erfolge natürlich extremen Spaß gemacht und zum wiederholen animiert.

Kraftstoffstand 2,0 mm +-1 mm unter der Dichtung. So lautet die Vorgabe im Wartungsbuch für die XJ 550 Typ 4V8. Das +- gibt eine zulässige Toleranz an, weil das so ganz genau keiner mit vertretbarem Zeitaufwand hinkriegt. Das heißt, der Stand soll 1 bis 3 mm unter der Dichtungsfläche sein. Um alle Klarheiten zu beseitigen, und bei vollem Risiko, mich zu wiederholen, hier nochmal eine Begriffsdefinition.

Schwimmerstand (auch Schwimmerhöhe) ist die Höhe der Schwimmeroberkante über der Dichtungsfläche, rechtwinklig zu dieser gemessen, bei geöffneter Schwimmerkammer und umgedrehtem Vergaser. Dabei muss man den Vergaser in einer Schräglage halten, dass die Schwimmerzunge auf dem gefederten Stift der Schwimmernadel aufliegt, ohne ihn jedoch einzudrücken. Die Messung wird auch „trocken“ genannt, wegen der Abwesenheit von Benzin.

Kraftstoffstand (auch Benzinstand) ist das Benzin-Niveau in der Schwimmerkammer, außerhalb sichtbar gemacht mit einem durchsichtigen Schlauch, der am (geöffneten) Ablaufstutzen angeschlossen ist. Dabei gehört zu der Maßangabe der Zusatz "unter der Dichtung" oder "über der Dichtung" bei Horizontalvergasern oder "unter/über der Marke" bei Fallstromvergasern. Diese Messmethode nennt man wegen der Benzinfüllung auch „nass“.

Aber nun endlich zur Tat. Der Aufbau zur Messung.

Die folgenden Fotos sind nicht alle von meiner 550er. Davon gibt’s nicht genug. Macht aber nichts, das Prinzip ist immer gleich.

Bild

Die Vergaserbank sollte noch keine Schieber, Membranen und deren Deckel enthalten. Da sie im Folgenden mehrmals gedreht wird, empfehle ich, sie zu nummerieren. 1 bis 4 von links nach rechts auf die Eintrittöffnung gesehen, entspricht auch den gängigen Zylindernummern. Mit welchem Provisorium die Bank während der Messungen in einer stabilen Lage gehalten wird, da sind der Kreativität keine Grenzen gesetzt. Hier ist es ein Brett, zwei große Schrauben und eine Schraubzwinge. Wichtig ist nur, die Lage soll so sein wie im eingebauten Zustand. Horizontalvergaser sind ja nicht immer genau horizontal eingebaut. Die der 550er haben leichtes Gefälle zur Austrittseite. Und die Lage muss bei jedem folgenden Testaufbau wiederholbar sein. Die Ablaufschrauben müssen eine Vierteldrehung geöffnet sein und können während der ganzen Aktion so bleiben.

Bild

Die Mikunis der 550er haben keine Ablaufstutzen an ihren Schwimmerkammern, nur Löcher. Das ist Sch...ade. Mancher hilft sich mit Plastik-Schlauchnippeln, in die Öffnungen gesteckt. Da passen dann 8er Schläuche drauf. Bei mir hat es mit dieser Variante, Schlauch plus O-Ring geklappt. Wo und wie das obere Ende der Schläuche befestigt ist, - du hast´s erraten – ist ebenfalls völlig frei. Von Wäscheklammern über Klettband, Klebestreifen bis Bindedraht ist alles erlaubt, was hält und wieder lösbar ist.

Bild

Die Benzinzufuhr ist ebenso improvisiert und frei gestaltbar. Auch sie muss ja evtl mehrmals entleert, abmontiert und nochmal angeschlossen werden. Die Benzinfüllung fließt in die Schwimmerkammern und die Messschläuche, und wo sie zum stehen kommt, sollte man abmessen und sich notieren. Für die oben gezeigte Messung sähe das dann so aus:
Die Referenz (Dichtung) ist bei 54 mm, das Benzin steht bei 45 mm, ergibt 9 mm am Vergaser Nr.2. Da die Vergaser mit Gefälle aufgebaut sind, und die Mitte der Dichtungsfläche zählt, muss ich je einen Millimeter abziehen.
Ich notiere
1 = 4
2 = 8
3 = 5
4 = 5 (jeweils Millimeter unter der Dichtung)
Nun baue ich den ganzen Krempel ab und drehe die Vergaserbank rum. Sie liegt flach und stabil ohne zu wackeln. Ah, deshalb sind noch keine Deckel oben drauf. Weil alle vier Werte noch nicht stimmen, mache ich alle vier Schwimmerkammern auf.

Bild

Der Ist-Wert liegt tiefer als der Sollwert, da muss das Ventil „später“ schließen, d.h. mehr Sprit rein lassen. Die Schwimmerzunge, die die Schwimmernadel betätigt, muss hoch. Weil´s ja jetzt auf dem Kopf liegt. Das ist bei diesen Vergasern im eingebauten Zustand problemlos zu machen. Mit zwei kleinen Schraubendrehern, hier und hier (rote Pfeile) angesetzt, die Zunge hoch biegen. Der Haken an der Sache ist nur – das Blech ist elastisch. Man merkt nicht, wie viel es zurück federt. Da hilft nur messen. Vorher und nachher.

Bild

Und zwar mit dem Tiefenmesser der Schieblehre. Und natürlich aufschreiben. Das Vorher-Maß und das Nachher-Maß. Tja, der Zettel wird lang, tut mir leid, aber hilft ja nix.

Bild

Hier mal am ausgebauten Teil gezeigt, um welches Maß es geht. Und nochmal festgehalten, in welche Richtung es muss. Von der Schwimmernadel weg biegen bewirkt einen höheren Kraftstoffstand, zur Schwimmernadel hin einen niedrigeren.

Es ist mir noch nicht gelungen, ein festes Verhältnis heraus zu finden zwischen Blechbiegemaß und Benzinstand. Demnach führt nur probieren zum Ziel. Den ganzen Beddel nochmal aufbauen, füllen, messen, ablesen und notieren. Dann die Werte vergleichen und Korrekturen berechnen. Als Nächstes abbauen, nach den Korrekturen biegen und zur dritten Messung aufbauen. Manchmal war bei mir dann schon alles ausreichend gut, oft musste aber eine vierte Messung her. So kriegt man auch den Samstagnachmittag rum. Beim ersten mal war´s echt spät.

Zwischendurch mal mit einem Schraubenziehergriff an die Vergasergehäuse klopfen simuliert die echten Motorvibrationen. Ändert auch manchmal die Messwerte und lässt einen verzweifelt in den Notizblock beißen.

Zum Schluß lasse ich immer eine Viertelstunde Druck drauf stehen. Es gab schon Fälle, wo dann eins der Ventile undicht wurde. Grund waren winzige Fasern im Ventilsitz. Passiert, weil mal nicht alles peinlich sauber war.

Vorsicht! Das Wort Sauerei steht nicht umsonst in der Überschrift. Bei der ganzen Einstellerei kann der Benzinstand auch mal zu hoch geraten. Dann droht Überlauf und es kommt hinten heraus geflossen. Das große Kuchenblech aus dem Elektroherd eignet sich gut zum auffangen. Mutti wird’s schon nicht gleich merken. Es erleichtert auch das gleichzeitige entleeren aller vier Messschläuche nach den Messungen. Größere Mengen Küchentücher und einen benzinbeständigen Mülleimer sollte man trotzdem bereit halten. Und nie ohne Nitrilhandschuhe im Benzin herum planschen.

Ach so, die Ablassschrauben wieder zudrehen, nicht vergessen.

Verwendete Quellen: Eigene Fotos, Mündliche Auskünfte vom besten aller Meister Joachim Weber vom Motorradcenter Darmstadt, Motorradtechnik von Jürgen Stoffregen Verlag Vieweg, Motorradvergaser von John Robinson Verlag Delius Klasing, Reparaturanleitung Band 5086 Verlag Bucheli, diverse Wartungsanleitungen von Yamaha.
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Beitragvon Hammer's Luzifer » 05.06.2022, 15:50

Eddie hat geschrieben:Und es gehört zu der viel diskutierten „Vergasereinstellung“, ist also kein „nice to do“, sondern praktisch die Basis für alle weiteren Einstellungen der Gemischversorgung.

Genau so seh ich das auch und bis jetzt war es immer Zielführend.
Angefangen von undichten Schwimmer Nadelventilen über andere Undichtigkeiten und überlaufende Vergaser konnte ich so alle Probleme lokalisieren.
Die Einstellung nach dem Wiedereinbau war danach nur noch Kinderspiel.

Ist ein anderes Motorrad aber die Vorgehensweise ist trotzdem gleich:

http://www.xj-forum.de/bb/viewtopic.php?t=38890

Gruss Axel und bleibt Gesund!
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Beitragvon XJ-Eddie » 06.06.2022, 08:08

Moin.
@Axel. Danke für deine Erfahrung und Zustimmung. Interessant, die Turbovergaser. Konventionell und doch speziell.

Nochmal Moin.
Da kam eine Frage wegen der Biegung der Schwimmerzungen, oder genauer gesagt deren Messung mit der Schieblehre. Zugegeben, wer den Umgang mit Messschiebern nicht gewohnt ist, hat es dabei nicht leicht. Aber einmal verstanden, geht’s. Diese Messungen halte ich für unerlässlich.

Die Alternative wäre, dieses kleine Stückchen Blech auf´s Geratewohl zu biegen, ohne Kontrolle des Ergebnisses. Vielleicht hat es ja gar nicht nachgegeben und ist zurück gefedert. Das Ergebnis würde sich erst nach dem nächsten Testaufbau und erneuter Befüllung zeigen. Ich spreche aus Erfahrung. Du denkst, du hast ein ganz kleines bisschen gebogen, weil ja nur noch wenig fehlt am richtigen Maß – baust wieder alles auf, und dann die Pleite. Es hat genau null gebracht. Alles umsonst, alles nochmal von vorn. Das nervt.

Ich hoffe, die folgenden Bilder helfen, solchen Frust zu vermeiden.
Es geht darum, den Höhenunterschied zwischen dem umgebenden Blech und der vertieft liegenden Schwimmerzunge zu ermitteln. Dazu nutzen wir die Funktion des Tiefenmessers am anderen Ende des Messschiebers. Das Gehäuse des Messschiebers senkrecht auf das Blech setzen, die Spitze auf die Zunge herunter fahren, oben ablesen. Maß notieren, und zwar bis zwei Stellen hinterm Komma, fertig.

Bild

Bild

Jedesmal an exakt der gleichen Stelle ansetzen und genau senkrecht halten, dann wird alles gut. Wer so ein Messgerät noch nicht hat, das Suchwort ist „Messschieber digital“. Hat jeder Werkzeughändler. Die Analogen sind schwierig abzulesen und nur was für Leute, die damit aufgewachsen sind. Kosten um die zwanzig bis dreißig Euro. Ob sich das lohnt? Eine gescheite Vergaserrevision kostet Hunderte.
Gruß von Eddie.
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Beitragvon Herta » 06.06.2022, 10:24

folgende Fragen stellen sich noch:

1. nach wieviel km oder nach welcher Zeit muss der Vorgang wiederholt werden wenn neue O-Ringe und Nadelventile montiert werden ?

2. die Dichte von Benzin ist stark von der Temperatur und der Sorte abhängig. So dürften auch die Schwimmer bei höheren Temperaturen stärker absinken und die Messwerte nicht unerheblich beeinflussen. Unter welchen Umweltbedingungen ist die Messung am Ende zuverlässig reproduzierbar ?

3. soweit mir bekannt ist werden neue Vergaser beim Hersteller trocken voreingestellt und funktionierten dann auch für einen relativ langen Zeitraum tadellos. Wie ist das zu erklären ?
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Beitragvon Hammer's Luzifer » 06.06.2022, 16:07

Hallo Herta,

Zu 1: Ich habe das 2008 gemacht. Seit dem 80.000 km gefahren. Ob das immer gilt weiss ich nicht. Never touch a running System ... :wink:

Zu 2: In der Garage sind mindestens 15 Grad wenn ich arbeite. Ich hab mir bis jetzt keine Gedanken gemacht wie sich hohe oder niedrige Temperaturen auswirken.

Zu 3: Die Vergaser werden in Serie hergestellt. In der Konstrukton wird das Mischungsverhältnis Luft / Benzin gemessen.
Dann werden aus der Serie in bestimmten Intervallen Vergaser entnommen und geprüft ob das Mischungsverhältnis immer noch stimmt.
Dadurch kann man davon ausgehen dass alle Vergaser gleich sind.

Gruss Axel und bleibt Gesund!
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Beitragvon Herta » 06.06.2022, 17:28

Hammer's Luzifer hat geschrieben:Zu 3: Die Vergaser werden in Serie hergestellt. In der Konstrukton wird das Mischungsverhältnis Luft / Benzin gemessen.
Dann werden aus der Serie in bestimmten Intervallen Vergaser entnommen und geprüft ob das Mischungsverhältnis immer noch stimmt.
Dadurch kann man davon ausgehen dass alle Vergaser gleich sind.

Gruss Axel und bleibt Gesund!


die Frage zu 3) zielte nicht auf den Lambda-Wert ab sondern dahin, wie der Hersteller es schafft eine serienspezifische Toleranz bem Kraftstoffstand zu erreichen ohne den ausgelieferten Vergaser jemals mit Kraftstoff befüllt zu haben.

Eigentlich sollte das doch auch im Servicefall machbar sein?
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Beitragvon Hammer's Luzifer » 06.06.2022, 18:19

Eddie hat das beschrieben wie Zungen mit dem Messchieber angeglichen werden.

Ich mach das etwas anders: wenn die Vergaser auf dem Kopf stehen mess ich an einer definierten Stelle von der Dichtfläche der Schwimmerkammer zum Körper des Kunststoff Schwimmers.

Hier ist eine Zeichnung aus einem anderen Forum:
http://xs400.net/wb/pages/technik-faq/v ... 2a24g5.php

Mit beiden Methoden sind dann alle Schwimmer mechanisch vor eingestellt und sollten dann auch das gleiche Benzin Level haben.

Gruss Axel und bleibt Gesund!
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Beitragvon XJ-Eddie » 06.06.2022, 18:44

@Herta
Zu 1.
Bei den meisten Schwimmerventilen oder auch Schwimmernadeln, die ich erneuert habe, war das Alter nur ungefähr bekannt. Die stammten aus gebraucht gekauften langjährigen Standuhren oder sonstwie verwahrlosten Maschinen. Bei meinen eigenen und anderen bekannten war es zwischen 30tkm und 60tkm, wo sie zum Überlaufen neigten. Das ließ sich dann meistens für die Heimfahrt durch klopfen nochmal beruhigen, blieb aber unzuverlässig. Um auf keinen Fall auszufallen, erneuere ich meine Schwimmerventile nach 30000km, und das empfehle ich auch anderen.

Nach Einbau neuer Schwimmerventile oder auch nur neuer Schwimmernadeln kann sich der Benzinstand verändert haben. Meistens bleibt es beim einmaligen Prüfen, und die Stände sind innerhalb der Toleranzen. Manchmal braucht es das volle Programm. Nämlich immer dann, wenn vorher die Benzinstände korrigiert worden sind, ohne neue Schwimmernadeln zu nehmen. Dann ist der Verschleiß der Gummikegel durch Einstellung kompensiert worden. Mit den Neuen stimmt dann gar nichts mehr und du fängst von vorne an mit Zungenbiegen.

Zu 2.
Wir können das alles nicht genauer als die Natur es zulässt. Muss wohl auch nicht sein. Das siehst du schon an den relativ großen Toleranzen bei den Maßen, die Yamaha vorgibt. Auch die Verbrennungsluft hat je nach Temperatur und Feuchte Schwankungen der Dichte, die bei unseren Vergasermotoren nicht kompensiert werden.

Zu 3.
Ja wie? Erklär du es uns. Ich war noch bei keinem Vergaserhersteller. Und wie lang ist ein „relativ langer Zeitraum“? Bei meinen fabrikneuen Vergasermoppeds hat damals der Händler vor der Übergabe die „Vergaser eingestellt“. Was das genau war, weiß ich nicht. Nach zwei Jahren war das erneut notwendig, inklusive „Vergaserteile“, laut Rechnung für ~50 DM. Alles ist relativ.
Gruß von Eddie.
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